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Mein Weg vom engagierten Sprecher zum geknebelten Angeklagten

Stelle dir vor, dass du über ein Jahrzehnt einer der wichtigsten Insider von Ammas Organisation warst, dass du dein Leben ihrem Dienst gewidmet und ihre Mission auf dem europäischen Kontinent als ihr offizieller Repräsentant entwickelt hast. Stelle dir vor, du wurdest aus der Organisation ausgeschlossen, weil du es gewagt hattest, ehrlich und transparent auf deinem Weg und in deinen Lebensentscheidungen zu sein. Dann kurz darauf erhältst du die Mitteilung ihres Anwalts, in der du eines Verbrechens beschuldigt wirst, welches du nicht einmal im Albtraum begangen hättest. Stelle dir vor, du wirst dann gezwungen, eine 30-jährige Geheimhaltungsvereinbarung zu unterschreiben, um in Ruhe gelassen zu werden.

Nun, genau das ist mir 1994 passiert und jetzt, da ich nicht mehr rechtlich an den Knebel gebunden bin, der mich zwingt über die Ungerechtigkeit zu schweigen, halte ich es für richtig, die Wahrheit zu sagen. Aus heiterem Himmel wurde ich von den kalifornischen Anwälten meines Gurus der Untreue, Unterschlagung und Veruntreuung von Spendengeldern beschuldigt. Ich befand mich in einem Schockzustand, und der einzige Ausweg aus dieser misslichen Lage bestand darin, einen Anwalt selber zu engagieren, um mich vor dem Zorn derjenigen zu schützen, die ich mehr geliebt hatte als mein eigenes Leben. Die „US“ juristischen Kampfhunde ließen nicht locker, bis ich zustimmte, in „Frankreich“ ein Rechtsgeschäft mit der „indischen“ Hauptniederlassung der MA-Organisation zu unterzeichnen. Glücklicherweise hatte ich, bevor ich 1984 Indien verließ, um dem Guru in Europa zu dienen, die Geistesgegenwart gehabt, eine offizielle Vollmacht zu beantragen – ein robuster Schutz für den Fall der Fälle. Wer hätte träumen können, dass dies ein Schlüsselelement zum Schutz vor den Angriffen meines eigenen Gurus werden würde? Zehn Jahre später war die Bedingung für die Entlassung aus meinem Vollmachtsmandat die Vorlage und Freigabe der Buchführung für den gesamten Zeitraum. Obwohl ich zu keinem Zeitpunkt zur Buchführung aufgefordert worden war, hatte ich glücklicherweise wieder einmal die Geistesgegenwart, jede Rechnung und jeden Kassenbeleg gewissenhaft aufzubewahren, auch für den Fall der Fälle. Ohne dies wäre ich recht aufgeschmissen gewesen. Ich habe dann sieben Monate lang nichts anderes getan als eine rückwirkende Buchhaltung über die 10-jährige Tätigkeit im Namen des Gurus zu erstellen.

Als die Anwälte nach zahlreichen Transaktionen erkannten, dass die Art und Weise, wie ich die Aktivitäten durchgeführt hatte – aus Respekt und Gehorsam gegenüber den Anweisungen des Gurus und damit auch in dessen Verantwortung – und sie mit ihren Anschuldigungen keinen Erfolg haben konnten, erklärten sie sich bereit die Angelegenheit zu regeln. Die Buchhaltung wurde genehmigt und das Rechtsgeschäft konnte unterzeichnet werden. Aber! natürlich gab es ein aber… es gab diese mindestens 30-jährige Geheimhaltungsklausel. Was immer ich auch glaubte und fühlte, ich hatte keine andere Wahl als mich daran zu halten, denn sonst hätten die Schwierigkeiten, die mit diesem auf falschen Anschuldigungen beruhenden Rechtsstreit verbunden waren kein Ende genommen. Wir unterzeichneten am 29. Juli 1994. Ich war zutiefst erleichtert und verzweifelt zugleich.

Was stand in dieser Vereinbarung, die so geheim bleiben musste? Worum ging es in der Klausel? Was wollten sie verbergen? In erster Linie wurde ich über die Existenz der Vereinbarung selbst mundtot gemacht. Darüber hinaus ging es konkret um die Übertragung der verbleibenden Spendengelder und des Eigentums des Zentrums an die neu gegründete, gemeinnützige, juristische Person.

Die Emotionen mussten sich erst einmal legen und ich brauchte Zeit um zu verstehen. Denn all die Jahre hatte ich nur dem Guru gehorcht und versucht, die Dinge mit der verbleibenden Freiheit, die ich hatte, in Ordnung zu bringen. Später verstand ich, dass es darum ging, die Tatsache zu verbergen, dass die Verfehlungen und Übertretungen, die sie während dieses schamlosen Rechtsstreits erfolglos versucht hatten mir aufzubürden, indem sie versuchten mich finanziell und gesellschaftlich zu ertränken und mich für immer zum Schweigen zu bringen, in Wirklichkeit auf einfachem Gehorsam gegenüber den Anweisungen des Gurus beruhten. Aber Missbrauch und Missbräuche waren dieser Organisation nicht fremd. Selbst ein flüchtiger Blick in mein Buch „Das Amma-Imperium“ wird eine nicht enden wollende Liste davon aufzeigen. Seltsam für eine spirituelle und religiöse Organisation, die vorgibt hohe moralische und spirituelle Werte aufrechtzuerhalten. Werte wie Respekt, Liebe und Dienst an der Menschheit, für die schon vor 30 Jahren jedes Jahr zig Millionen Dollar an Spenden gesammelt wurden.

Was diese Situation noch ungeheuerlicher machte war, dass der Guru mich von ihren Anwälten fälschlich beschuldigen ließ, „nachdem“ sie mich aus der Organisation geworfen hatte, weil ich mich weigerte, eine weitere klerikale Lüge zu sein: ein lehrender Obermönch und einziger europäischer Vertreter mit einem versteckten Gefühls- und Sexualleben nebenher. In der Tat empfand ich den Verzicht auf die Mönchskutte und die Rückkehr zum Laienleben als eine Entwicklung und nicht als einen Rückschritt. Dies bedeutete vielmehr eine strenge Überprüfung und Integration der Werte und der spirituellen Errungenschaften in der Welt und eine Annäherung an die Menschen. Ich habe nicht im Traum daran gedacht, die Organisation zu verlassen oder meine spirituellen Amtspflichten aufzugeben. Aber das passte nicht in das Konzept des Gurus.

Zu allem Überfluss geschah dies nach 20 Jahren Abwesenheit vom Regierungsradar in Frankreich. Ich stand also ohne persönliche Mittel da, ohne Anspruch auf Sozialleistungen und ohne die Möglichkeit, offiziell eine Arbeit zu suchen und meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Mein Name war bereits vom Guru und ihren Jüngern beschmutzt und mein Netzwerk durch Lügen zerstört worden. Ich konnte also nirgendwo hingehen und konnte mich an niemanden wenden. Diejenigen, die mein Buch gelesen haben, werden sich daran erinnern, wie die Mutter des Mitgefühls mich bat, als sie mich wegschickte, in irgendein Land zu fliegen und zu leben, in dem sie nicht bekannt war. Sie lehnte meine Ehrlichkeit ab und meinte, dass es keine gute Idee sei, ein bescheidener und ehrlicher Kerl zu sein. Es war viel besser, ein VIP-Betrüger zu sein. Den Schein zu wahren war das Wichtigste.

Worum ging es also? Kurz gesagt, die Aktivitäten der Organisation waren in Europa im Aufwind, und während ihrer Programme wurden immer mehr Spenden gesammelt. Vor allem in Frankreich, wo viele Bankschecks von Anhängern ausgestellt wurden, mussten diese Schecks auf Konten eingezahlt werden, bevor sie als Pauschalbetrag nach Indien weitergeleitet wurden. In den verschiedenen Ländern, in denen die Organisation aktiv war und Programme stattfanden, d.h. in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und der Schweiz (in Italien war die Organisation anders), hatte ich mich an Anwälte und Berater gewandt und Pläne für die Einrichtung von gemeinnützigen Rechtspersonen mit ihren jeweiligen Bankkonten gemacht, um die inzwischen sechsstelligen Beträge zu empfangen und zu überweisen. Doch wie im Buch ausführlich beschrieben, lehnte der Guru jedes Mal, wenn ich ihr Vorschläge zur Legalisierung ihrer Aktivitäten unterbreitete, diese rundweg ab. Sie bestand darauf, dass alles, auch die Konten, auf denen die Spenden- und Verkaufsgelder eingingen, auf meinen persönlichen Namen lauten sollten. Später schloss dies sogar die erste Immobilie des MA-Zentrums im Elsass ein. Aus welchem Grund auch immer, sie bestand darauf, dass auch der Titel auf meinen persönlichen Namen lautete.

Du hättest den Gesichtsausdruck der Bankangestellten sehen sollen, als ich mit einem Rucksack und einem Stapel Schecks auftauchte, die einzeln gegengezeichnet und datiert werden mussten, manchmal mehrere Stunden lang und in ihrer Gegenwart. Natürlich waren die Bankmanager alarmiert, und ich wurde nach der Herkunft all dieser Gelder befragt. Wenn sie meine Antworten auf die Frage hörten, woher das Geld stammte und warum es auf meinen „privaten“ Konten sein musste, schauten sie immer skeptisch. Sie verdächtigten mich offensichtlich des Drogenhandels oder ähnlicher illegaler Aktivitäten. Man drohte mir mehrfach, die Steuer- und Sozialbehörden zu informieren. Aber ich machte unbeirrt weiter, verankert in meinem Glauben und in meinem Wunsch, durch meinen geliebten Guru für das Allgemeinwohl zu arbeiten.

Der Glaube vieler wurde durch diese rücksichtslose und respektlose Haltung Ammas in Frage gestellt. Zum Beispiel war die Devotee, die ihr persönliches Haus verkaufte und den gesamten Erlös aus tiefstem Herzen für den Kauf eines Zentrums in Frankreich spendete, völlig schockiert als sie feststellte, dass es an mich als Privatperson gespendet werden musste. Aufgrund der Nachlässigkeit des Gurus lief ich Gefahr, in diesen Ländern strafrechtlich verfolgt zu werden, insbesondere in Frankreich, wo einige der möglichen Anklagen, die gegen mich hätten erhoben werden können, nicht verjährt waren. Behörden fingen an, Fragen zu stellen, wie z. B. das Amt für Sozialabgaben und -leistungen in Frankreich, die die regelmäßige Arbeit der selbstlosen, hingebungsvollen Mitarbeiter im neuen Zentrum als unbezahlte und nicht angemeldete Arbeit ansahen. Da es keine Rechtsperson gab, wurde ich als skrupelloser Arbeitgeber betrachtet. Das war ein schweres Vergehen.

Im Namen des Gurus, der sich an keine Regel hielt, beschuldigten mich die kalifornischen Anwälte der Unterschlagung, des Vertrauensbruchs und der Veruntreuung von Spenden für meinen persönlichen Gebrauch. In Wirklichkeit besaß ich nichts was mir gehörte, außer einem Auto, mit dem ich jeden Monat 10.000 km reiste, um an verschiedenen Orten in Europa Satsangs zu geben. Ein Auto, dessen Kredit ich mit meinen Einnahmen aus unabhängigen Vorträgen und Workshops zurückzahlte, da mein Guru mir gesagt hatte, ich solle Aktivitäten nicht mehr auf freiwilliger Basis halten. Zu Beginn 1984 hauste ich in einem 8 qm großen Dienstmädchenzimmer auf dem nicht isolierten Dachboden eines alten Wohnhauses, ohne Bad und Heizung. Dann hauste ich viele Jahre lang auf der Loggia einer Sporthalle ohne richtige sanitäre Einrichtungen. Ich schlief auf diesem Betonboden, mein Kopf war buchstäblich nur wenige Meter von großen Pariser Bahnlinien entfernt. Ich hatte Sperrholzplatten angebracht, um die Loggia abzuschließen und einen einigermaßen privaten Raum zu schaffen. Erst seit dem Kauf des Zentrums in der elsässische Bergregion Frankreichs hatte ich ein eigenes „Zimmer“, wenn man es so nennen kann: eine kleine Holzloggia, 3m breit und 2m tief über der hohen Eingangshalle, ohne Fenster und Heizung, ebenfalls mit Sperrholzplatten abgetrennt. Es gab eine Matratze auf dem Boden und ein kleines Regal. Die meiste Zeit im Zentrum verbrachte ich ohnehin mit Arbeit im Büro. Oft sank ich mitten in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden vor Erschöpfung unter meinem Pult zu Boden, nicht ohne einen Scheinwerfer auf mein Gesicht zu richten, damit ich nicht länger als ein paar Stunden schlief und wieder aufstand, um so lange wie möglich weiterzuarbeiten. Ich bin mir nicht klar, wie ein solcher Lebensstandard und eine solche Hingabe mit der Zweckentfremdung von Spendengeldern gleichzusetzen sind.

Vergesst Befreiung, Erleuchtung oder die Suche nach Gott! Mein Lohn dafür war, dass ich all diese Energie, die ich in all den Jahren im Dienst meines geliebten Gurus eingesetzt hatte, in ihrem Namen und offiziell von ihr beauftragt, mich schlussendlich gegen die Folgen ihrer Gedankenlosigkeit und Doppelzüngigkeit wehren musste, sowie auch gegen den Ansturm ihrer juristischen Kampfhunde. Jahre der spirituellen Suche kulminierten darin, dass ich ihr begegnete, später in ihrem Namen lehrte, Menschen zu ihr brachte und ihr aus Respekt und Gehorsam so weit diente, dass das Gesetz übertreten werden musste. Nur um herauszufinden, dass ich ihre schmutzigen Geheimnisse mindestens 30 Jahre lang mittragen musste, weil weder sie noch ihre Organisation die öffentliche Verantwortung für die begangenen Verstöße übernehmen wollten.  Besonders nachdem es ihr nicht gelungen war, mit allen unmoralischen, wenn auch legalen Mitteln zu versuchen, die Verantwortung auf ihren scheinbar wehrlosen Vertreter und treuen Diener abzuwälzen.

Die Botschaft, die man aus dieser einen von vielen Geschichten ziehen kann ist, neben der Tatsache, dass sie bzw. ihre Organisation keine Rechenschaft ablegt, dass die „göttliche Mutter“, selbst wenn du ihr lange treu gedient hast, keinen Moment zögern wird, dich vor den Bus zu werfen, um das Gesicht zu wahren. 30 Jahre später habe ich mich längst weiterentwickelt und betrachte mich nicht mehr als Opfer. Aber beim Aufdecken eines weiteren Aspektes der Korruption im Kern dieser Organisation wird man daran erinnert, wie empörend diese schändliche Maskerade ist.

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